Verein

Niemals mehr fliegen

Ende April 1945 marschierten die Amerikaner in Bad Wörishofen ein. Einen Tag vorher nach beschossen amerikanischer Jabo`s den hiesigen Militärflugplatz, wobei die am Westrand des Flugplatzes stehende Segelfliegerhalle auch Einschüsse durch das Dach abbekam. Mit dem Kriegsende war auch die Fliegerei in Deutschland zu Ende. Niemals mehr, so hieß es damals von den Segelfliegern, dürfen Deutsche mehr fliegen. Das alliierte Kontrollratsgesetz Nr. 16 und 26 verhängte das totale Flugverbot über alle Deutschen. Es sollte das „Aus“ für jede fliegerische, ja sogar fliegergedankliche Tätigkeit in unserem Lande sein. Vor allem für die Segelflieger, die Fliegen des Fliegens wegen als Sport sahen, eine deprimierende Prophezeiung. – Aber man sollte niemals „nie“ sagen.

Kaum 5 Jahre später, für die vom Fliegergeist beseelten – junge und am Leben gebliebene Kriegsflieger – waren es allerdings trübe Jahre, erlaubte eine Lockerung des Kontrollratsgesetzes, wieder die Gründung von Fliegervereinigungen. Deren Tun war aber nur auf gesellige Bestrebungen begrenzt. Doch mancherorts schlugen diese geselligen Bestrebungen bald Wurzeln in Form von Flugmodellen und sogar in Teilen für Segelflugzeuge. Auch in Bad Wörishofen waren zu dieser Zeit schon wieder Kräfte an Werk, die zu mobilisieren begannen. Als erster Aktiver darf hier wohl Karl Englmair genannt werden. Bald übertrug er seine Gedanken auf Gleichgesinnte und am 2. Dezember 1950, im damaligen Lindengarten, fand unter starkem Interesse die Gründungsversammlung des „Aero-Club Bad Wörishofen“ statt. Getragen war diese Vereinigung in der Mehrzahl von ehemaligen Kriegsfliegern und so war es fast selbstverständlich, dass der aus dem Krieg hochdekorierte Walter Dahl zum 1. Vorsitzenden gewählt wurde. Ein Verein mit der stattlichen Zahl von 30 Mitgliedern war neu entstanden, aber Fliegen, das war vorerst nur in Gedanken möglich. Das alliierte Flugverbot war noch in Kraft. Auch Fluggeräte gab es noch nicht in der ehemaligen Segelfliegerhalle hatte sich nach dem Krieg ein Betrieb eingenistet. Modellbau war vorerst die praktische Tätigkeit, mit der man die Zeit überbrückte. Vor allem die Jugendlichen begannen sich darin zu üben. Wenige Wochen später, Anfang 1951, fielen die Schranken des Flugverbots und die
Rumpfbau des SG 38 in der alten Segelfliegerhalle

Begeisterung schlug hohe Wellen. Ein weiterer glücklicher Zufall stellte sich ein, die Segelfliegerhalle wurde frei und vom Stadtrat wieder den Segelfliegern zugesprochen. Nun konnte weiter disponiert werden, denn man wollte ja möglichst bald fliegen. Der Aero-Club Bad Wörishofen schloss sich mit den Luftsportgruppen Grönenbach, Kaufbeuren und Kempten zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen und diese beschloss den Bau von vier Schulgleitern des bewährten Typs „SG 38“. Auf die Bad Wörishofer, die vorerst als einzige in der glücklichen Lage waren ihre Halle wieder zu besitzen, fiel das Los der Endmontage dieser vier Schulgleiter.

Unter der sachkundigen Leitung und dem beispielhaften Fleiß von Sepp Friedel wurden die von den anderen drei gefertigten Teilen zu Flügeln, Leitwerken und Rümpfen zusammengebaut. Die Begeisterung und der heiße Wunsch, bald fliegen zu wollen, ließ oft die Zeit vergessen und so erloschen die Lichter in der Werkstatt oft erst lange nach Mitternacht. Der sprichwörtliche Rhöngeist war in die Bad Wörishofer Segelflughalle eingezogen. Anfang 1952 war es dann soweit. Der als vierter fertiggestellte Schulgleiter stand aufgerüstet in der Halle und konnte vom Bauprüfer abgenommen werden. In einer Feierstunde wurde, zwar bei windigem Regenwetter, unter Teilnahme der Öffentlichkeit vor dem Kurhaus, der stolze Gleiter auf den Namen seines Baumeisters „Seppele“ (Friedel) getauft.Taufe des Schulgleiters SG 38 vor dem Kurhaus Einige Tage später bei schönem Wetter, machte dann der „Seppele“ mit Hilfe eines Gummiseiles seine ersten Hüpfer auf heimischem Gelände. Wohl jeder, der von früher mehr oder weniger Geübten, der sich auf den Pilotensitz wagte, tat dies mit einigem Herzklopfen. „Kann ich es noch, bring ich das Ding wieder gut an den Boden, enttäusche ich meine Kameraden nicht?“ Solche und ähnliche Gedanken schwirrten in den Gehirnen der wiederauferstandenen Ikarusjünger. Bei manchem musste wohl die Begeisterung und der Mut über die Hemmungen siegen. Das war jedenfalls die Wiedergeburt des schönen Segelflugsports in der Kneippstadt. Mit schnellen Schritten eilte nun die Entwicklung in der Bad Wörishofer Segelflugbewegung weiter. Noch während des Schulgleiterbaus wurde der Bau einer Segelflugzeug-Startwinde in Angriff genommen. Für ganze 30,00 DM wurde ein Motor Marke „Packard“ mit 138 PS bei einem Schrotthändler erstanden. Die Winde konnte 1953 in Betrieb genommen werden. Nun war es möglich, richtige Hochstarts zwischen 300 und 500 Meter auszuführen. Mit dem Schulgleiter war dies eine luftige Sache. Zwischenzeitlich stellte sich im Verein, durch die beiden Mitglieder Dittel und Englmair, ein noch aus der Kriegszeit stammender Leistungssegler des Typs „Rhön-Bussard“ ein. Auch die Wiederauffrischung der Kenntnisse und Schulung junger Segelflieger begann unter der Anleitung des bewährten alten und neuen Segelfluglehrers Kurt Schmidt.

Der Vorsitzende Walter Dahl verzog aus Bad Wörishofen und unter dem neuen Vorsitzenden Hermann Groschwitz entschloss sich der Verein zum Kauf eines Leistungsdoppelsitzers „Bergfalke II“. Spenden und Bürgschaften von Mitgliedern ermöglichten diese Anschaffung. Bereits im Juli 1953 präsentierte sich der neue Segler, ebenfalls anlässlich seiner Taufe auf den Namen „Kneippianer“, der Bürgerschaft von Bad Wörishofen und den Kurgästen vor dem Kurhaus. Der Bergfalke II, heute noch im Dienst, stellte einen gewaltigen Fortschritt dar. Die Schulung konnte fortan doppelsitzig sicherer und besser vonstatten gehen und Gäste durften sich Bad Wörishofen von oben ansehen. 1955 gesellten sich, als Leihgabe der Gebrüder Mock, ein ebenfalls aus der Kriegszeit geretteter Übungssegler vom bekannten Typ „Grunau-Baby 2“ zum Verein. Viele 5-Stunden-Flüge, Höhenflüge und auch einige Überlandflüge für das Silber-C-Leistungsabzeichen wurden auf dem braven Grunau-Baby abgeritten. 1958 schüttelte, überraschend für alle Mitglieder, eine Krise den Verein. Die Mannschaft war in Ordnung, ebenso der Gerätepark. Mit dem Fluggelände gab es auch keine Probleme. Die Finanzen aber, glitten offensichtlich aus dem Ruder. Der Bergfalke II wurde 1953 zum Großteil mit Bankkrediten angeschafft. Hans Endres, Mitte der 50iger Jahre, im Bergfalke II

Die Kalkulation, dass sich die aufgenommen Kredite binnen weniger Jahre durch den Flugbetrieb abbezahlten, ging nicht auf. Anstelle dass sich die ursprünglichen Bankschulden von ca. 8.000,00 DM verringerten, stiegen auf über 11.000,00 DM an. Beratungen ergaben die Notwendigkeit einer neuen Vereinsführung. Hans Endres war, zwar gegen seinen Wunsch, der erkorene „Glückliche“. Mit seiner übernommenen Bürde war er nicht zu beneiden. Die tatkräftige Mithilfe seiner Kameraden aber machten es möglich, die Schulden innerhalb von 2 Jahren abzubauen und dazu noch den Rohbau eines Ka 6-Röhnseglers zu erstehen. Nach vielen, mit Begeisterung geleisteten Arbeitsstunden stellte sich im Frühjahr 1961 das fertige Hochleistungsflugzeug vor. Eine stattliche Menschenkulisse nahm wiederum vor dem Kurhaus unter Klängen der Blaskapelle auf der Taufe des Seglers auf den Namen „Bad Wörishofen“ teil. Der Taufpate war wieder 1. Bürgermeister Anton Ledermann.

Fünf Jahre bei regem Flugbetrieb, stetigem Aufwärtstrend und gedeihlicher Vereinsarbeit vergingen. Flugschüler wurden laufend ausgebildet. Leistungsflüge mit Strecken bis über 300 km ausgeführt und Gästen das herrliche Gefühl des Segelfliegens vermittelt. Der Alpensegelflugplatz Höfen bei Reutte in Tirol war fast alljährlich Urlaubsdomizil unseres Vereins. Pfingstsonntag 1965 – ein herrliches Thermikwetter, Hans Endres startete an diesem Vormittag zu seinem zweiten, aber leider letzten Segelflug. Nach einem etwas 20-Minuten-Flug berührte bei der Landung ein Flügel seines Flugzeugs den Boden und zerschellte. Gott sei Dank waren seine Verletzungen nicht allzu schwer. Hans Endres war nach wenigen Tagen im Krankenhaus wieder guter Dinge und seine Genesung schritt voran. Für ihn war es keine Frage, dass Segelfliegen sein Sport bleiben würde. In wenigen Wochen schien alles wieder im Lot zu sein. Kaum drei Wochen später, wir konnten es alle nicht fassen, schlug das Schicksahl unberechenbar zu. Eine nicht voraussehbare Lungenembolie riss Hans Endres aus seiner Familie, aus seinem Geschäft und aus dem Kreis seiner Segelflieger. Es war mehr als ein herber Verlust. Es ist traurig, dass er heute nicht unter uns sein kann. Josef Mock wurde nun für die folgenden Jahre ans Ruder gesetzt. Im Sinne seines Vorgängers, umsichtig wie dieser es selbst getan hätte führte er die Segelflieger, bis er 1971 die Bürde und große Verantwortung seinem Nachfolger Dr. Albert Wanner übergeben konnte. Der eingetretene Aufwärtstrend des Segelflugsports in Bad Wörishofen setzte sich unter dem Vorsitz von Dr. Albert Wanner stetig fort. Die Finanzen waren gesund, die aktive Mannschaft zählte 25 Leute worunter ein erfreulicher Nachwuchs zu verzeichnen war und eine breite Basis von fördernden Mitgliedern stützte den Verein. Der Fluggerätepark erweiterte sich 1971 um den zweiten Doppelsitzer „Bergfalke IV“ und 1973 ging eine moderne, leistungsstarte selbstgebaute Doppeltrommelwinde in Betrieb. Einen weiteren Zuwachs erfuhr der Flugzeugpark 1975 mit der Anschaffung des aus Kunststoff gebauten Seglers „Astir CS“.

1981, nach neun erfolgreichen Amtsjahren und seiner Pflicht genüge getan zu haben, meinte Albert Wanner sei es an der Zeit, dass er von seinem Amt als 1. Vorsitzender abgelöst werde. In einer Mitgliederversammlung im Februar 1981 wurde Josef Wiedemann, schon gut eingearbeitet in die Materie, zum neuen 1. Vorsitzenden gewählt.