Verein

Segelflieger verlieren Fluggelände

Noch in der Phase des Sonnenscheins entwickelten sich aber bereits für die Segelflieger stetig dunkler werdende Wolken am Horizont. Der Kurort litt schon lange unter einem stärker und lästiger werdenden Durchgangsverkehr vor allem von Nord nach Süd und umgekehrt. Am Durchgangsverkehr anliegende Bürger verlangten immer dringender eine Umgehungsstraße.

Ein Streit, mit dem im Osten der Stadt grundbesitzenden Landwirten und Gartenstadtbewohnern einerseits und dem Stadtrat in der Mehrheit und dem staatlichen Straßenbauamt andererseits, hatte sich aufgetan. Jahrelang beherrschte dieser Streit die Kommunalpolitik. Schließlich fiel die Entscheidung zu Gunsten einer Straßentrasse zwischen der Stadt und der Gartenstadt. Dies bedeutete über kurz oder lang das „Aus“ für unser seit 1952 bestehendes Segelfluggelände. 1990, nicht lange nach der Entscheidung für die vorgesehene Straßentrasse – die Grundstücksverhandlungen waren noch nicht abgeschlossen und noch vor Beginn unserer Flugsaison – fuhren mitten in unser Fluggelände Baumaschinen auf und begannen mit Erdarbeiten. Von keiner Seite über den Anfang der Baumaßnahmen verständigt, wurden wir Segelflieger überrascht. Wir hatten keine Chance Vorbereitungen für die nunmehrige Situation zu treffen. War dies das „Aus“ für den Segenflug in Bad Wörishofen, vielleicht auch für den Verein?

Als vorläufiger Trost blieb uns nur die Erinnerung an die, seit den 60-iger Jahren immerwährend von Bürgermeister und Stadträten gegebenen Versprechungen, dass, falls das Segelfluggelände einem Straßenbau zum Opfer fällt, uns die Stadt zu einem neuen Segelfluggelände verhelfen wird.

Wichtig war es, den Verein am Leben zu erhalten. Dazu hatten wir vorerst nur die Möglichkeit bei benachbarten Vereinen auszuweichen. Zu Zigeunern umfunktioniert, reichte das aber nur aus, unsere Flugscheine nicht verfallen zu lassen. Die bisherigen Haupteinnahmen durch Flugbetrieb waren weg. Die Vereinseinnahmen bestanden nur noch aus den Beiträgen der Mitglieder. Also den Gürtel enger schnallen und zwei von vier Flugzeugen stilllegen. Als Gäste auf anderen Plätzen waren für uns die Startmöglichkeiten beschränkt und die Startgebühren hoch. Auch die Ausbildung von Flugschülern war nicht mehr möglich.

Als Dauerzustand bedeutete dies den Anfang von Ende. Die Rettung ans andere Ufer konnte nur ein neues Fluggelände sein. Ein Vorstoß im Süden der Gartenstadt zu einem neuen Fluggelände zu kommen, scheiterte an der globalen Ablehnung der Landwirte. Für uns war diese Ablehnung insofern eine herbe Enttäuschung, als wir auf dem alten Fluggelände ein bestes Verhältnis mit den dortigen Landwirten hatte. Uns blieb das deutliche Gefühl, die Prügel für die Entscheidung des Stadtrates zu der beschlossenen Straßentrasse, einstecken zu müssen. Eine Unterstützung von außerhalb des Vereins für ein neues Fluggelände war zu diesem Zeitpunkt – 1990 – nicht zu erkennen. Unter diesen Gegebenheiten und Aussichten schmolz der Bestand an aktiven Mitgliedern schnell zusammen. Nicht jedermanns Sache war es, weiterhin unter diesen Umständen Beiträge und Leistungen in den Verein einzubringen. Einige Aktive wechselten zu anderen Vereinen, andere zogen sich ganz aus dem Segelflugsport zurück. In dieser Situation kamen selbst in der Vorstandschaft Gedanken auf, ob es nicht sinnvoll wäre, mit den Verbliebenen im Verein und mit den Gerätschaften, einem anderen benachbarten Verein beizutreten. Solche Vorstellung war keine aufmunternde Beschäftigung für die Verantwortlichen.

Der übriggebliebene restliche harte Kern warf aber die Flinte nicht ins Korn, blieb dem Verein verbunden und „zog die Karre weiter durch den Dreck“.

Durch die Erfahrung im Süden mit einem neuen Fluggelände hatten wir wenig Hoffnung in Norden anderes zu erfahren, obwohl in der dortigen Kirchdorfer Flur von der Geländebeschaffenheit her noch die Möglichkeit zu sehen war. Wohl die Not der Segelflieger erfahren, kam 1992 Stadtrat Josef Fischer aus Kirchdorf auf uns zu und bot uns Hilfe an. In Gesprächen mit den betreffenden Landwirten öffnete Herr Fischer für die Segelflieger die Tür. Die Vorsitzenden des Vereis traten sofort in Verhandlungen mit den Grundstücksbesitzern ein und nach einigen Gesprächen waren Pachtverträge mit 30-jähriger Laufzeit formuliert und abgeschlossen. – Eine Begutachtung des Luftamtes ging selbstverständlich dem Akt voraus –. Herrn Josef Fischer möchten wir an dieser Stelle herzlich danken. Ohne seinen persönlichen Einsatz gäbe es wahrscheinlich heute keine „Segelflugverein Bad Wörishofen“ mehr und kein Kurgast käme mehr in den Genuss, von einem Segelflugzeug aus Bad Wörishofen und seine Umgebung von oben betrachten zu können. Die abgeschlossenen Pachtverträge waren Voraussetzung für alles weitere Vorgehen.